Autorenlesung und Gespräch mit Walter Seger am 11.11.2021

Wider das Vergessen! – Buchvorstellung und Gespräch mit Walter Seger fand in Panketal statt
Als am Donnerstag, den 11. November um kurz nach 19:00 Uhr die ersten Takte von Barbara Kaszubas „Remembrance Janusz Korczak“ für Solo-Violine erklangen, wurde es still im Auditorium der Aula der Grundschule Zepernick. 
Zahlreiche Anwesende, allen voran aus den USA, England, der Schweiz und Süddeutschland angereiste  Angehörige der Familie Benning aus Zepernick sowie Wolfgang Rakitin, Sohn von Margot Rakitin, geb. Meitner, hatten sich gemeinsam mit etwa 50 Interessierten aus Panketal eingefunden, um dem Vortrag von Walter Seger zum Thema „Die jüdischen Bewohner in Zepernick von 1933 bis 1945“ zu folgen. 
Eindrucksvoll interpretierte der Panketaler Musiklehrer und Vorsitzende des Kulturvereins „Kunstbrücke Panketal e.V.“ das hochemotionale und auch sperrige Musikstück aus der Feder der bedeutenden polnischen Gegenwartskomponistin Barbara Kaszuba, und bot damit den perfekten Auftakt für eine Veranstaltung in Panketal, die mehr als 75 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur längst überfällig war: Ein öffentliches Erinnern, ein ernsthaftes Eintauchen in die Verbrechen, die Deutsche ihren deutschen Nachbarn jüdischer Herkunft hier vor Ort in Zepernick angetan haben! 
Es war der Panketaler Rolf Gerlach, der als Ortschronist und Historiker in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts begann, die Geschichte des jüdischen Lebens in Zepernick zu erkunden. Seine unermüdlichen Forschungen bildeten die Grundlage für das Wirken des Juristen Martin Jehle und des Autors Walter Seger und mündeten in die Veröffentlichung mehrerer Bücher zum Thema. Und so las Jehle aus dem noch kurz vor Gerlachs Tod erschienen Buch „Zepernick. Rückblicke ins 20. Jahrhundert“ das Kapitel „Juden in Zepernick? Na ja, wohl schon“ und beschrieb damit die Genese der Aufarbeitung dieses schwärzesten Kapitels unserer Ortsgeschichte.
Der Hauptvortag des Abend kam von Walter Seger, der nach langen Recherchen in nationalen, internationalen und regionalen Archiven und ebenso langen persönlichen Gesprächen mit Betroffenen und Angehörigen von rassisch verfolgten Zepernicker Bürgerinnen und Bürgern zwei Bücher zur Thematik vorgelegt hat, die zwar nicht alle Lücken schließen, aber einen bedeutsamen Einblick in das Leben und die Sorgen zahlreicher jüdischer Mitbürger bieten. 
Anhand von vier exemplarischen Familienschicksalen stellte Seger zum einen die seelischen Nöte der von Verfolgung Betroffenen dar und machte zum anderen deutlich, mit welcher perfiden Amtslogik die deutsche Verwaltung die Pläne Hitlers willfährig und gnadenlos umzusetzen half. So wurde, kaum dass der Bankier Moritz Löwenthal in Auschwitz ermordet worden war, sein Vermögen inklusive Haus und Grundstück als „an das Reich verfallen“ von der Oberfinanzdirektion Berlin-Brandenburg „eingezogen“. 
Seger zitiert zudem aus der Eingabe eines Bürgers, doch bitte den defekten Badeofen (aus jüdischem Besitz) durch einen funktionierenden aus einem anderen jüdischen Haushalt zu ersetzen. 
Unterstützt und bereichert wurde der Vortrag durch eine PowerPoint-Präsentation, welche das Gehörte durch zahlreiche persönliche Fotos und Zeitdokumente bildlich verdeutlichte. 
Nach einem weiteren musikalischen Intermezzo – Charlotte und Niels Templin brachten Grazyna Bacewiczs 6. Satz aus der „Suite für zwei Violinen“ aus dem Jahr 1943 zu Gehör,   bot sich den Anwesenden Gelegenheit, Fragen zu stellen und miteinander ins Gespräch zu kommen. 
So berichtete ein sichtlich bewegter Mike Benning auf Nachfrage unter anderem von den bewegenden Momenten, das erste Mal nach vielen Jahrzehnten wieder vor seinem ehemaligen Elternhaus in der Goslarer Straße zu stehen. Einige Anwesende brachten auch ihre Genugtuung darüber zum Ausdruck, dass diese wenn auch späte Form der Aufarbeitung nun auch in Panketal stattfindet. 
In seinen abschließenden Worten stellte Thorsten Wirth, der als Moderator und Vertreter des gastgebenden Vereins „Kunstbrücke Panketal e.V.“ durch den Abend führte, klar, dass diese Veranstaltung kein Schlusspunkt, sondern „allenfalls Etappe“ sein könne für die weitere Aufarbeitung dieses „dunkelsten Kapitels der Ortsgeschichte“.
Mit viel Beifall verabschiedete das Panketaler Publikum die sichtlich gerührten Ehrengäste aus den Familien Benning und Rakitin. Zahlreiche kleinere und größere Gespräche im privaten Kreis rundeten den gelungenen und würdigen Abend ab. 
Das Buch „Die jüdischen Bewohner in Zepernick 1933 - 1945“ (ISBN: 9 783 752 644 487) ist zum Preis von 10,00 € als Book on demand erhältlich. U.a. in der Buchhandlung Fabula oder online.
Fotos: Wolfgang Rakitin, Martin Jehle, Thorsten Wirth

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